Erfahrungsbericht Jakob Zinsstag, SwissTPH
Interview mit Jakob Zinsstag, Professor am Swiss Tropical and Public Health Institute
25. Mai 2021
Wie hat COVID-19 Eure Forschung in Entwicklungs- und Transitionsländern beeinflusst?
Die Pandemie hatte sowohl positive, wie negative Auswirkungen auf unsere Forschung. So bin ich beispielsweise dank COVID-19 auf eine mögliche Zusammenarbeit zu integrierter Krankheitsüberwachung bei Mensch und Tier mit chinesischen Partnern aufmerksam gemacht worden. Der One-Health Ansatz für integrierte Krankheitsüberwachung bei Mensch und Tier ist in China noch nicht weit entwickelt. In diesem Bereich kann die Schweiz einen wichtigen Beitrag in China leisten. Auch wenn wir uns in dieser neuen Zusammenarbeit bisher nur online treffen konnten, hat diese gut begonnen und wir haben bereits einen gemeinsamen Artikel geschrieben und einen Starting-Grant der ETH eingeworben.
Andere Projekte, beispielsweise ein Projekt, welches wir im April 2020 in der Côte d’Ivoire starten wollten, wurde durch den Lockdown verzögert und wir konnten das Projekt erst im Dezember 2020 offiziell starten. Dadurch haben wir in diesem Projekt eine Verzögerung von ungefähr sechs Monaten. Aber auch in Äthiopien wurden Projekte gebremst, weil die Forschenden vor Ort nicht ins Feld reisen konnten und wir kamen nicht nach Äthiopien um uns mit ihnen zu Treffen.
Wie seid ihr mit diesen Auswirkungen umgegangen?
Es war und ist wichtig eine gute Kommunikation aufrecht zu erhalten. Mit Sitzungen über Zoom ist eine gute Kommunikation aber nach wie möglich. Forschende und Forschungsgruppen aus verschiedenen Ländern können nun sogar einfacher an gemeinsamen Sitzungen teilnehmen. Vorher konnten teilweise nicht allen an Sitzungen teilnehmen. Online Sitzungen über Zoom funktionieren mit den meisten Forschungsinstitutionen im Globalen Süden recht gut, auch wenn die Internetverbindung teilweise nicht so schnell ist. Weil es weniger physische Sitzungen gibt, muss ich zudem weniger reisen und habe dadurch auch mehr Zeit zum Arbeiten und für meine Familie.
Was ist aus Eurer Erfahrung wichtig um auch während einer solchen Krise eine gute Zusammenarbeit aufrecht zu erhalten?
Es ist wichtig, Projekte auch während solchen Krisen weiter zu führen, allenfalls den gegebenen Umständen anzupassen. Forschende und Forschungsförderorganisationen aus dem Norden dürfen bei einer Krise nicht einfach die Flinte ins Korn werfen und sich aus dem Staub machen. Für Forschungspartner im Globalen Süden ist es wichtig, dass die Projekte weitergeführt werden und sie nicht einfach im Stich gelassen werden. Dafür muss die Forschung natürlich Krisen-Sensitiv sein und sowohl Sicherheitsfragen berücksichtigen, wie auch eine gute Kommunikation sicherstellen. In diesem Umfeld sollten Reisen und Austausche, die möglich sind, auch gemacht werden. Dies gilt nicht nur für die COVID Krise, sondern auch für andere aktuelle Krisen wie beispielsweise gerade im Nahen Osten.
Hat Eure Forschung beigetragen, Auswirkungen der COVID-19 Pandemie zu verstehen und darauf zu reagieren?
Bild: Jakob Zinsstag, SwissTPH
Im Januar 2020 haben wir in Jijiga, der Hauptstadt der Somali Region in Äthiopien, im Rahmen der Jigjiga University One Health Initiative (JOHI) ein Labor für Molekulare Diagnostik für Mensch und Tier aufgebaut. Dieses Labor dient der Forschung und Gesundheitsversorgung in dieser Region und der Aufbau wurde von der DEZA unterstützt. Zwei Monate nach Inbetriebnahme des Labors wurden wir von der lokalen Somali Regierung angefragt, ob wir in diesem Labor auch COVID-19 Tests auswerten könnten. So wurde unser Labor in kurzer Zeit zum COVID-19 Testlabor umfunktioniert. Diese rasche Nutzung für COVID-19 Tests war nur möglich, da das Labor bereits vorher funktionsfähig war. Unser Labor war das einzige Labor für die Auswertung von COVID-19 Tests für eine Bevölkerung von rund 8 Millionen Menschen. Bis Dezember 2020 haben wir in diesem Labor 40'000 COVID-19 Tests ausgewertet. Danach ist eine Maschine kaputt gegangen. Bis zur Reparatur im April konnten wir leider keine Tests auswerten. So konnten wir in der Somali Region dank einem laufenden Projekt dennoch helfen mit der COVID-19 Pandemie umzugehen.
Ein anderes Beispiel geht gerade in die andere Richtung. Bei unserem Besuch in Abidjan, der Hauptstadt der Côte d’Ivoire, im Dezember 2020 haben uns die Forschungspartnerinnen und -partner vor Ort erzählt, dass die COVID-19 Pandemie für sie gar keine so aussergewöhnliche Situation sei. Pandemien kommen in der Côte d’Ivoire häufiger vor als in Europa und sie hätten deshalb viel Erfahrung im Umgang mit Pandemien. Wir Europäer könnten von ihnen lernen, wie effizient mit solchen Ausbrüchen umgegangen werden kann. So kann eine gemeinsame Nord-Süd Forschung auch der Schweiz helfen besser mit der COVID-19 Pandemie umzugehen.
Was braucht es um Globale Forschungspartnerschaften nach COVID-19 besser zu fördern?
Es ist wichtig, auch die nachkommenden Generationen von jungen Forschenden für faire Partnerschaften in der Nord-Süd Forschung zu sensibilisieren. Die Nord-Süd Forschung muss sich an den 11 Prinzipien der KFPE für grenzüberschreitenden Forschungspartnerschaften orientieren. Es gibt leider immer wieder Forschende, die in koloniale Muster der Forschungszusammenarbeit zurückfallen. Solche Forschende befehlen dann ihren Partnern im Süden, was sie zu tun haben. Um das zu verhindern und sicherzustellen, dass Forschungsagenden gemeinsam festgelegt werden, müssen Forschende immer wieder aktiv auf die 11 Prinzipien der KFPE aufmerksam gemacht werden.
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Bild: Jakob Zinsstag, SwissTPH
Eröffnung des Labors für Molekulare Diagnostik in Jijiga mit dem Schweizer Botschafter Daniel Hunn