Die Verbuschung des Alpenraums durch die Grünerle
Gebüsche aus Grünerlen überwuchern nicht mehr genutzte Alpweiden. Dadurch sinkt die Biodiversität, die Böden versauern und der Erosions- und Lawinenschutz ist im Vergleich zu einer Wiederbewaldung schlechter. Auf die akute Gefahr für die Alpen machen die Akademien der Wissenschaften Schweiz in einem soeben publizierten Factsheet aufmerksam.
Die Landwirtschaft zieht sich aus ökonomischen Gründen immer mehr aus dem Berggebiet zurück. In die Bresche springt eine Pflanze, die natürlicherweise in Lawinenzügen und Bachrunsen vorkommt: die Grünerle. Sie überwuchert jährlich mehrere hundert Hektaren aufgegebener Alpweiden und breitet sich damit drei- bis viermal schneller aus als der Wald. Dabei wäre der Wald die ursprüngliche Vegetation des Alpenbogens.
Überwuchern Grünerlen Gebiete quasi als Monokulturen, hat dies verschiedene negative Konsequenzen. Bedecken Grünerlen nur schon die Hälfte einer Fläche, wird die Pflanzenvielfalt halbiert, so dicht ist ihr Bewuchs. Aber auch Insekten und Vögel werden seltener. Zudem versauern die Böden. Und die Grünerlenausbreitung fördert den Klimawandel: Grünerlenbestände setzten 35-mal mehr Lachgas frei als Wiesen. Lachgas ist ein äusserst starkes Treibhausgas.
Mit der Bundesverfassung verpflichtet sich die Schweiz zur Pflege der Kulturlandschaft. Die – noch nicht verabschiedete – Agrarpolitik 2014-17 setzt denn auch Anreize, damit Alpweiden offengehalten werden. Laut einer Studie von Agroscope genügen die geplanten Massnahmen jedoch nicht. Besonders effektiv wäre der vermehrte Einsatz von Ziegen und einer bestimmten Schafrasse, den Engadiner Schafen. Diese fressen die Triebe und die Rinde von Grünerlen, was zu deren Absterben ohne Stockausschlag führt.
Autoren: Prof. Dr. Christian Körner
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