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«Mit den richtigen Metaphern die Menschen für die Biodiversität sensibilisieren»

Carte blanche für Hugo Caviola, Universität Bern, und Claudia Keller, Universität Zürich

Wollen wir die Biodiversität erhalten, müssen wir auch bedenken, wie wir über sie sprechen. Die Sprach- und Literaturwissenschaften können zu einer gelingenden gesellschaftlichen Kommunikation beitragen.

Carte Blanche / Hugo Caviola, Claudia Keller
Image: zvg

Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors und der Autorin wieder und muss nicht mit der Haltung der SCNAT übereinstimmen.

Sprache ist nie neutral, sie formt unsere Wahrnehmung und unser Denken. Worte ermöglichen uns, die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu erschliessen. Dies gilt auch für die Metaphern und Narrative der Biodiversität. Das sperrige Fremdwort ruft nach Veranschaulichung. Ob Kapital, Baum oder Datei, ob Netz, Gesellschaft, Wunder, Motor oder Bibliothek des Lebens: Solche Metaphern können Brücken von der Wissenschaft zu den Menschen schlagen und deren Kopf und Herz erreichen. Gerade weil sie ein starkes, aber auch einseitiges Bild schaffen, sollte man sie bewusst einsetzen und fragen, welche Werte sie vermitteln.

Kapitalwerte sind austauschbar, Arten nicht

Eine Untersuchung aus dem Projekt Sprachkompass der Universität Bern zeigt, dass die Kommunikation über Biodiversität systematisch auf Metaphern aus dem Alltag baut. Häufig wird Biodiversität als Naturkapital beschrieben, von dem es Verluste, Einbussen und Defizite zu beklagen gibt. Man muss das Naturkapital gut anlegen, es aufstocken und pflegen, um einen ökologischen Mehrwert zu erlangen. Die Kapitalmetapher verleiht der Biodiversität einen hohen Wert, mit dem man politisch gut argumentieren kann: Wer möchte schon Naturkapital verlieren!

Doch jede Metapher hat auch blinde Flecken. Die Kapitalmetapher unterschlägt den Eigenwert der einzelnen Art – denn Kapitalwerte sind austauschbar, Arten aber nicht. Das Aussterben der Wildbienen wird durch das Fördern der Westlichen Honigbiene nicht aufgewogen. Die Metapher der Biodiversität als verästelter Baum des Lebens mit unzähligen Zweigen von Arten als Metapher ist sinnlich und emotional: Ein Baum ist etwas Schönes, das unsere Verbindung mit der Natur veranschaulicht. Und das Absterben von Ästen ruft nach unserer Sorge. Aber er bildet den unterschiedlichen Umfang von Insekten- und Säugetierarten nicht wissenschaftlich präzis ab.

Militärische und fremdenfeindliche Rhetorik

Metaphern und Narrative sind zudem stets vom Zeitgeist beeinflusst. So ist die Metapher der invasiven Arten in Charles Eltons Werk «The Ecology of Invasions by Animals and Plants» (1958) vom Kalten Krieg geprägt – von der Furcht vor der Atombombe und einer militärischen Invasion. Die Invasionsmetapher verdeckt, dass Arten nicht aktiv und kriegerisch in neue Gebiete eindringen, sondern von Menschen transportiert werden. Die Metapher funktioniert nach dem Prinzip der Externalisierung: Sie benennt die invasiven Arten als Grund für die enormen Kosten und ökologischen Schäden; aber eigentlich sind diese die Folge der westlichen Kolonialisierungs- und der Globalisierungsgeschichte.

Zudem ist die Invasionsmetapher auch mit einem fremdenfeindlich gefärbten Narrativ verbunden: Im Kampf zwischen Gut und Böse müssen die «unheimlichen Eroberer» wieder ausgerottet werden. Kein Zweifel daran, dass die Ausbreitung gewisser Arten ein ernstes Problem schafft! Nur wird es nicht gelöst, indem wir einen fremdenfeindlich gefärbten Diskurs auf die Ökologie übertragen. Wir fragen deshalb: Würden alternative Bezeichnungen wie «verschleppte Arten‚ «potenziell schädliche Arten» oder schlicht «sich ausbreitende eingeführte Arten» nicht eine sachgerechtere Sicht ermöglichen? Ohne Sündenbockrhetorik könnten die Menschen dafür sensibilisiert werden, die eigene Verantwortung mehr anzuerkennen und das Problem bei seiner menschengemachten Wurzel anzupacken.

Neue Narrative aus der Literatur

Neue Narrative und Sichtweisen liefert oftmals die Literatur. In Marie Gamillschegs Roman «Aufruhr der Meerestiere»(2022) zum Beispiel ist die invasive Meerwallnuss ein Symbol für den menschenverursachten Kollaps von Ökosystemen und ein Vorbild dafür, sich den zum Schlechten veränderten Lebensbedingungen anzupassen: weniger im Einzelkampf, sondern nach dem Vorbild dieser Rippenquallen – mit Schwarmintelligenz.

Wir sollten das Angebot von Metaphern und Narrativen aus verschiedenen kulturellen Bereichen nutzen, denn jede Wortwahl legt bestimmte Sichtweisen und bestimmte Lösungen nahe. Und die Vielfalt des Lebens braucht eine Vielfalt an Perspektiven, damit wir Biodiversität erfolgreich kommunizieren und Lösungen finden können, sie zu bewahren.


Hugo Caviola ist assoziierter Forscher am Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern und leitet das Forschungsprojekt Sprachkompass. Claudia Keller ist Oberassistentin am Deutschen Seminar der Universität Zürich und Mitglied des universitären Forschungsschwerpunkts «Globaler Wandel und Biodiversität». Sie arbeitet an einem Forschungsprojekt zu Biodiversitätsnarrativen.

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